cover02

Entwicklertagebuch, Entstehung von "Meine Oma(88)"

Wo kommen wir her?

Mein Name ist Alexander Zenker, ich bin Gamedirector und Game-Artist im Studio ROTxBLAU. Ich wohne in Leipzig, Deutschland und habe hier mit meinen beiden Kollegen Michael Zöller und Richard Minkus vor drei Jahren ein Game-Studio gegründet. Als Team ist es unser Ziel, Spiele als Kunst- und Kulturgut zu entwickeln, die sich aktiv mit ihrer Umwelt und der gegenwärtigen Gesellschaft auseinandersetzen und dennoch einen Schwerpunkt auf Unterhaltung legen. Im Fall von „Meine Oma(88)“ beschäftigen wir uns mit dem Schweigen in unseren Familien, sobald es um die Themen Nazi-Deutschland, Nazi-Verbrechen und Täter*innenschaft geht. Ich höre immer wieder: „Lasst die Geschichte doch endlich ruhen.“ – doch spätestens mit der Untersuchung des Phänomens der transgenerationalen Weitergabe wird klar, dass selbst durch Schweigen Verhalten und Werte weitergegeben werden – in Opfer- wie in Täterfamilien. Deshalb müssen wir uns fragen, wie sehr haben wir aus den Verbrechen unserer Vorfahren gelernt, wenn wir es nicht schaffen in den eigenen Familien darüber zu sprechen? Wie sehr sind wir vielleicht selbst noch von Nazi-Ideologien geprägt, ohne ein Bewusstsein darüber zu haben?

Wir wollen ein Spiel entwickeln, welches diese Fragen aufwirft und Schweigen als Herausforderung in der Game-Mechanik etabliert. Damit wollen wir uns selbst befragen und hoffentlich auch die Spielenden dazu inspirieren, sich mehr mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen – egal ob in Deutschland oder anderswo, denn dunkle Geheimnisse werden schnell verschwiegen und sind uns allen dennoch stets bewusst.

„Erinnern mit Games“

Alles begann mit einem Pitch-Jam im Jahr 2020, einem Online Event der Stiftung Digitale Spielekultur. Das Thema des Pitch-Jams lautete „Erinnern mit Games“ und brachte Menschen aus den Bereichen Games und Erinnerungskultur zusammen, um neue Spielideen zu entwickeln. In einem achtköpfigen Team, bunt zusammengewürfelt von Personen aus Österreich und verschiedensten deutschen Bundesländern entwickelten wir ein Pitch-Video für ein fiktives Spiel namens „This Memory of Mine“. Die Handlung drehte sich um eine Enkeltochter, die gegen die Erzählungen ihrer eigenen Oma handeln muss, angelehnt an das Spielprinzip „Player vs. Narrator“ aus dem Game The Stanley Parable. Unser Projekt überzeugte die Jury, und gemeinsam mit einem anderen Team, das mit ihrem Projekt „Peloton“ ebenfalls gewann, sicherten wir uns den Sieg beim Pitch-Jam. Da ich der einzige Game-Entwickler im Team war, wurde unser Studio ROTxBLAU mit der Verantwortung für die Umsetzung des Spiels betraut und wir erhielten als Preis eine professionelle Beratung, um unsere Idee zu realisieren.

Alles aus Papier

Nach unserem Erfolg beim Pitch-Jam, erarbeiteten wir gemeinsam ein detailliertes Konzept für eine Bewerbung bei der Mitteldeutschen Medienförderung, um die Entwicklung eines Prototyps finanzieren zu können. Ein Jahr später erhielten wir schließlich die erhoffte Förderung und das Projekt startete im Frühling 2022, etwa zwei Jahre nach dem Pitch-Jam.

Zuerst entwickelten wir drei Versionen eines Papierprototyps – eine Brettspiel-Variante des finalen Computerspiels mit einzelnen Spielfeldern und -figuren. Alle Figuren waren simpel auf Papier gezeichnet und ausgeschnitten, die Spielregeln waren nur grob entworfen. Als „Spielleiter“ testete ich diese Prototypen von Anfang an mit verschiedenen Menschen und entwickelte das Game-Konzept anhand ihrer Reaktionen und Ideen über drei Monate weiter.

In dieser Phase entstand auch ein neuer Name, der auf so viel positive Resonanz stieß, dass wir ihn bis heute beibehalten haben: „Meine Oma(88)“. Neben den Spiel-Sessions dokumentierte ich per Kamera jede Partie, um sie als Leitplanken in der späteren Entwicklung nutzen zu können.

Das Feedback der ersten Testings war durchweg positiv: Die Spielenden hatten großen Spaß, tauchten sofort in die Geschichte und die Spielwelt ein und waren neugierig alles zu entdecken. Der Prototyp kombinierte Point-and-Click-Elemente, die Entscheidungsfreiheiten eines Sandbox-Spiels(=ein Spielelement, das den Spieler*innen ein hohes Maß an Kreativität bei der Interaktion zulässt) und der Mechanik Player vs. Narrator. Diese Mischung führte zu aufregenden, überraschenden, irritierenden, gruseligen und witzigen Momenten. Bis hierher funktionierte der Prototyp bereits als Unterhaltungsspiel. Einzig die Langzeitmotivation war noch nicht ausreichend, was wir vorerst als Problem aufgeschoben haben und später in der digitalen Version lösen wollten.

Digitalisierung für Publisher

Im Sommer 2022 begannen wir mit der Digitalisierung unseres Projekts „Meine Oma(88)“ und hier begann nun die wahre Odyssee. Das Ziel war "nur" alles, was im Papierprototyp funktioniert hatte, in eine digitale Version zu übertragen. Unser Coder Michael Zöller entwickelte dafür ein cleveres Tool namens "Omatools", das uns ermöglichte, schnell und flexibel alle möglichen Interaktionen zwischen den Spielobjekten umzusetzen. Die erste digitale Version spiegelte fast alle Features und Inhalte des Papierprototyps wider und mit der zweiten Version ergänzten wir dann noch die fehlenden Elemente. Die Grafiken übernahmen wir direkt aus den analogen Vorgängern und ergänzten sie mit einer einfachen grafischen Benutzeroberfläche. Mit wenig Aufwand hatten wir nun also ein Spiel aus schwarzweißen Strichfiguren vor uns, das vorerst komplett ohne Animation und Effekte auskommen sollte.

Die "fertige" Version des Prototyps präsentierten wir unserem damaligen Mentor, einem alten Hasen der Games-Branche, der bis heute für einen großen europäischen Publisher arbeitet. Er sollte uns durch sein Feedback darauf vorbereiten, in Publisher-Gespräche zu gehen und eine Finanzierung für die Produktionsphase zu finden. Doch seine Kritik war alles andere als wegbereitend: zu billige Grafiken, zu viele Spielinhalte, die er nicht entdecken konnte, und ein unverständlicher Gameplay-Loop. Diese Rückmeldung kam im Frühling 2023, ein Jahr nach Beginn des Prototyps – und die finanzierte Phase der Förderung war längst abgelaufen. Unser Mentor schickte uns also nochmal in die Ehrenrunde und machte uns deutlich, dass ein Publisher wenig Interesse an einem so "risikobehafteten" Spiel in diesem Stand haben würde.

In jenem Frühling ging es unserer Firma nicht gut. Alle erwarteten Aufträge neben „Oma“ (internes Lieblingskürzel) sprangen ab und plötzlich hatten wir nur noch dieses Spiel, auf das wir setzen konnten. Also gingen wir das Risiko ein und machten uns ohne Aussicht auf Bezahlung auf die Suche nach Geldgebern. Als Deadline für die Suche setzten wir uns den Dezember 2023. Danach müssten wir die Firma schließen, wenn wir bis dahin keine Finanzierung gefunden hätten. Durch einen Kontakt aus dem ursprünglichen Team des Pitch-Jams 2020 kamen wir mit einer privaten Stiftung in Kontakt, deren Ziel die Unterstützung deutscher Erinnerungskultur ist und die nach einem Spielprojekt suchte, das sich mit dem Thema der Erinnerungskultur auseinandersetzte und gleichzeitig den kommerziellen Weg eines Videospiels gehen wollte – das waren genau die Ziele die wir auch verfolgten! Es war unsere Rettung, wir kamen ins Gespräch mit der Stiftung und es funkte direkt. Mit der Zusammenarbeit ab August 2023, konnte sogar eine Gedenkstätte als Partner hinzugewonnen werden, um eine inhaltliche Expertise für die historischen Hintergründe der Spielgeschichte zu gewährleisten.

Gemeinsam mit der Gedenkstätte schrieben wir einen Antrag, um die Fördersumme der Stiftung zu erhalten – ein Prozess, der drei Monate dauerte und Mitte Dezember 2023 abgeschlossen wurde – glücklicherweise genau zu unserer Deadline! Mit einer Zusage der Finanzierung konnte uns die Stiftung bestätigen, dass die Arbeit an „Meine Oma(88)“ im Februar 2024 starten konnte! Wir hatten die Finanzierung unserer Produktion gesichert. Die Deadline war eingehalten, wir konnten also endlich mit der finalen Umsetzung des Projekts beginnen.

In den drei Monate der Antragsausarbeitung arbeitete ich stetig weiter am  digitalen Prototypen. Mit einem Showcase auf der Gamescom 2023, ersten Gesprächen mit Publishern und weiteren Testphasen entwickelte sich das Spiel noch einmal komplett neu. Ich wollte vorbereitet sein auf die Produktion, die nun im Februar 2024 starten sollte. Wir begannen schon mit ersten Bewerbungsgesprächen, unterschrieben Arbeitsverträge und führten emsig Gespräche mit weiteren zukünftigen Kooperationspartner*innen. Die zwei Monate über der eigentlichen Deadline im Dezember waren akzeptabel, denn nun sollten wir eine zweijährige Vollzeit-Produktion bezahlt bekommen! Das Warten hatte sich gelohnt! Doch dann kam alles anders…

Rückschläge und neue Hoffnung

Im Februar 2024, kurz vor der Vertragsunterzeichnung und dem Projektstart, geriet alles aus den Fugen. Der Antrag enthielt juristische Fehler, von denen niemand wusste, außer die Anwälte der Stiftung. Sie stellten plötzlich neue Anforderungen, die so schnell nicht zu erfüllen waren. Dafür hatte die Gedenkstätte keine Zeit eingeplant und sprang kurzfristig ab. Dadurch konnte die Stiftung den Vertrag nicht mehr unterzeichnen und das gesamte Projekt fuhr gegen die Wand. Die Zukunft von „Oma“ stand plötzlich auf der Kippe.

Voller Sorge gingen wir in interne und externe Gespräche, berieten uns und mussten abwägen, ob wir als Firma noch weitere Monate ausharren konnten, um eine neue Gedenkstätte zu finden und die Vertragsbedingungen neu auszuhandeln – ein Prozess, der ungewiss lange dauern könnte. Das einzig Gute war, dass das Geld der Stiftung intern bereits bewilligt war und auf uns wartete; wir mussten nur den Zugang wieder dazu freiräumen.

Dieser Crash war vor vier Monaten. Seither haben wir die Zeit intensiv genutzt. Auch wenn wir uns inzwischen hoch verschuldeten, haben wir mit der Unterstützung vieler Mitmenschen weitergearbeitet: Der Prototyp hat nun ungefähr sieben Versionen durchlaufen und wurde kontinuierlich weiter verbessert. Wir haben eine neue Gedenkstätte gefunden und konnten uns bisher gut auf alle Bedingungen einigen und gemeinsam die Vertragsvoraussetzungen für die Stiftung integrieren. Damit sind wir schonmal einen Schritt weiter, als bei der ersten Antragsstellung.

Gerade jetzt in diesem Moment – im Juni 2024 – warten wir erneut auf eine Antwort, um eine neue Vertragsunterzeichnung zu vereinbaren. Wie lange der Prozess noch dauern wird, wissen wir nicht, doch wir sind immer noch entschlossen, auch wenn unsere Kräfte im Team längst aufgebraucht scheinen. Der aktuelle Projektbeginn zum 01.09.2024 wurde erst diese Woche wieder um einen Monat nach hinten verschoben – ein weiterer Monat, den wir spontan kaum mit Aufträgen oder anderen Einnahmen füllen können. Wir drücken die Daumen und hoffen, dass wir zumindest diesen Dezember endlich die Produktion bezahlt bekommen, die vor nun vier Jahren ihren Anfang nahm.

Doch was haben wir nun daraus gelernt?

Warum wir dennoch weitermachen

Trotz der Rückschläge und unserer prekären Situation, wurden wir immer wieder motiviert, nicht aufzuhören. In der Auseinandersetzung mit anderen Personen, bekamen wir stets gespiegelt, dass wir auf dem richtigen Weg seien. Die schönsten und überraschendsten Erfahrungen auf unserer vierjährigen Reise waren wohl die zahlreichen Papierprototyp-Sessions und die ersten Reaktionen der Spieler*innen. Besonders in Erinnerung geblieben ist uns dabei die Gruppe aus Jugendlichen im Alter von 11 bis 13 Jahren, die unser Studio im Rahmen eines Ferienprogramms in Leipzig besuchten. Obwohl wir „Oma“ nicht für so eine junge Zielgruppe konzipiert hatten, testeten die jungen Menschen begeistert und eifrig unseren Prototyp, rätselten miteinander und trafen gemeinsam Entscheidungen.

Ebenso positiv erwähnt sei, dass unsere Arbeit von verschiedenen Expert*innen als wertvoll für die deutsche Erinnerungskultur eingeschätzt wurde – ob aus der Traumaforschung (die sich mit Familien von NS-Täter*innen beschäftigt), der Literatur oder der pädagogischen Arbeit an Gedenkstätten – die Rückmeldungen waren durchweg positiv. Sie hoben hervor, dass unser Spiel zur Selbstreflexion anregt, was genau das Richtige für die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte sei.

Darüber hinaus erfuhren wir Begeisterung und Unterstützung aus vielen Ländern. Unsere Teilnahme an Podiumsdiskussionen nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA, Mexiko und Hongkong zeigte uns, dass das Thema international von Interesse ist und unabhängig von der deutschen Geschichte betrachtet werden kann. Besonders stolz sind wir auf den Preis, den wir beim Pitch-Jam der Stiftung Digitale Spielekultur gewonnen haben. Dieser Sieg war der Startschuss für unsere wahnsinnige Unternehmung, die uns bis heute elektrisiert, herausfordert und weiterbringt.

Alles in allem bin ich überwältigt von diesem wahnsinnigen Vorhaben und beeindruckt davon, wie sich immer neue Wege erschließen, wenn man nur dranbleibt. So lang unsere Vision, von einem markttauglichen Videospiel welches die Sicht auf Erinnerungskultur revolutionieren möchte, besteht, wird dieses Projekt immer weiterwachsen, egal wie viele Steine uns noch im Weg liegen werden.

Ich bleibe voller Hoffnung

Und wünsche alle wahnwitzigen Vorhaben da draußen maximale Erfolge!

Bleibt dran!

17.06.2024

Aztech-Boss-Fight_rec

Games im Kampf gegen Windmühlen - Ein Reisebericht aus Mexiko

0

Moin.

Ich will in diesem Blogbeitrag ein bisschen über zwei Netzwerk-Meetings sprechen, die ich letztens in Mexiko hatte. Ich erfuhr dabei etwas über die mexikanische Gaming-Szene, deren Schwierigkeiten am Markt, die Verhältnisse zur Regierung und den fehlenden Fundings, sowie den Bestrebungen, wie Mexiko und Lateinamerika einen Fuß in den internationalen Gaming-Markt bekommen könnten.

Eines wurde mir auf jedenfall sehr deutlich gemacht: Wir Game Devs in Deutschland sind im Vergleich zu den Kollegen in Mexiko in einer sehr privilegierten Position! Aber von Anfang an …

Bevor ich beginne, noch kurz ein Hinweis: sämtliche Namen und Informationen aus diesem Beitrag, die ich im Netz finden konnte, habe ich euch mit einer Link-Liste am Ende des Beitrags zusammengestellt.

I

Ich war also letztens in Mexiko gewesen. Primär zum Urlaub machen, eigentlich. Aber auch ein bisschen zum arbeiten, wie man das als Selbstständiger halt so macht. Workation eben. Ist trendy #digitalnomad. Was mir aber erst nach der Hälfte der Zeit bewusst wurde, war: wenn ich schon einmal in Mexiko bin, kann ich mich doch hier mit mexikanischen Studios und Devs austauschen! Was geht eigentlich in Mexiko mit Games? Keine Ahnung! Also:

LET´S DO IT!!!

Ich kannte niemanden hier – weder ein Studio, noch einen Publisher oder Single-Devs… (Selbsttest: Fällt dir ein Game/Studio/Publisher aus Lateinamerika ein?)

Ich fragte eine befreundete Game-Journalistin nach ihr bekannten Studios. Sie nannte nur den Namen „Lienzo“(dt. Leinwand, Gemälde) – ich ging auf deren Website: ein 11-köpfiges Studio mit Sitz in Chihauhua, dem Norden Mexikos. Von den Spielen die ich vorfand war ich sofort fasziniert. „Mulaka“ und „Aztech“ heißen die zwei neuesten Titel des Studios. Es sind bunte 3D-Action Adventure, die sich beide auf eine sehr zugängliche Art mit der „prehispanic time“ beschäftigen, also mit der Zeit vor der Kolonisation durch die Europäer. Beide Games lassen mich in indigene Rollen schlüpfen, um deren Kultur zu entdecken. Sie wirkten auf den ersten Blick aufwendig produziert. Das sah schonmal sehr vielversprechend so aus, als würden Games hierzulande schon längst in der Kultur angelangt sein. Diese Hoffnung sollte sich als nicht ganz richtig erweisen. Aber dazu später mehr.

Mit eifriger Neugier schrieb ich also Lienzo eine Anfrage, ob ein Treffen in Persona zum offenen Austausch mit einem deutschen Indie-Dev wie mir möglich wäre: Ich wär´ gerade in Mexico City (Abk. „CDMX“ – Ciudad de Mexico) und hätte noch eine Woche Zeit.

Zwei Tage später erhielt ich eine Antwort: der Geschäftsführer des Studios Edgar Serrano meldete sich. Er selbst hatte keine Zeit, dafür hatte er meine Nachricht an einen Whatsapp-Verteiler weitergeleitet. Später erfuhr ich, dass der Verteiler so gut wie die gesamte mexikanische Game-Szene umfasste! Circa 100 Studios wussten jetzt also Bescheid: ich war in CDMX und suchte nach Austausch. Das war doch schonmal ein erfolgreicher Anfang!

Prompt tauchten mehrere Mails von verschiedenen Menschen in meinem Postfach auf. Daraus wurden am Ende leider nur zwei konkrete Meetings:  Ich hatte nun Dates mit Jacobo Castaneda und Laura Rubi Meneses Adams. Beide meldeten sich als Vertreter der „IGDA“, der „International Game Developers Association“ – dem größten international und gemeinnützigem Verein für Spielentwickler*innen. Man kann sich bei der IGDA als lokale Vertretung anmelden und auf deren Netzwerk und Informationen zugreifen. Laura ist für das Chapter Zentralmexiko verantwortlich, Jacobo für Nordmexiko. Die beiden waren also eine Art Kollegen.

II

Mit Jacobo hatte ich das erste Treffen. Wir gingen in zwei Lokalen frühstücken. Im ersten gab es ein Bier für ihn und einen Kaffee für mich. Im Zweiten wurden wir in buntem Ambiente mit allen Klassikern des mexikanischen Frühstücks bewirtet - also Eiern, Bohnen, Avocado, Käse, wahlweise Fleisch oder Wurst, Salsa, Tortilla, Saft und Kaffee … Kurz: dem Paradies auf Erden!

Jacobo war gut vorbereitet. Mit unaufdringlicher Art zückte er eine Liste mit Gesprächsthemen und arbeitete alle seine Punkte ab. Er war sehr strukturiert und zielstrebig, dabei aber nicht gehetzt. Er erzählte mir, dass es die Games-Branche in Mexiko schwer hätte. Viele Spielproduktionen würden beginnen, doch nur wenige fänden ein Ende. Von der Regierung gäbe es keine Unterstützung, im Gegenteil, man glaube dort nicht an Games als Kulturgut. Mehr seien Spiele ein schlechter Einfluss für die Gesellschaft und sollten deshalb erst recht keine Unterstützung erhalten. Eine Meinung, wie man sie in Deutschland vielleicht noch aus der Zeit der „Killerspiel“-Debatte kennt. Ein Grund für diese Haltung, könnte sein, dass der Markt zum Großteil aus ausländischen Triple-A Produktionen besteht und weniger aus lokalen Spielen. Fragt man mexikanische Gamer*innen nach nationalen Produktionen wie Lienzo´s Mulaka, kennen es nur die wenigsten, so Jacobo. Ein großes Interesse an Indie-Entwicklungen, ob aus dem Ausland oder dem eigenen Land, gibt es eher nicht. Da ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass man sich in der mexikanischen Politik schwertut, Games als verantwortungsvolles Kulturgut zu akzeptieren.

Damit Produktionen wie die von Lienzo mehr nationale Aufmerksamkeit bekommen, setzt sich Jacobo für verschiedene Projekte ein. Das Magazin Bit-Gamers steckt noch in den Kinderschuhen, doch damit möchte er eine Plattform schaffen, um öffentliches Interesse an einer Spielekultur außerhalb der Großproduktionen zu wecken. Nebenher organisiert er Stände auf der jährlichen Gaming-Messe Gamacon und versucht ausländische Investoren für den mexikanischen Markt zu begeistern. Dazu ist er Präsident der IGDA für Nord-Mexiko und ist so Ansprechpartner, Initiator, Netzwerk-Hub und Berater für Studios aus der Region. All das macht Jacobo ehrenamtlich, neben seinem eigentlichen Job als HR-Manager im Gastronomiegewerbe.

Nach gut zwei Stunden, brachen wir aus dem zweiten Lokal auf. Jacobo führte mich noch durch den „Freaky Plaza“, einem Kaufhaus bestehend aus vier Etagen japanischer Popkultur, Game- und Comic-Stores in der Innenstadt von CDMX. Auf der Suche nach einer günstigen Second Hand Version vom Zelda Remake „Link´s Awakening“ für die Switch, fragte sich Jacobo für mich überall durch. Leider ohne Erfolg. Die Preise für Mainstream-Games, wie den für ein aktuelles Zelda, sind durch die hohe Nachfrage, schon fast vergleichbar mit den europäischen Preisen. Mexikanische Spiele liefen mir im „Freaky Plaza“ nicht über den Weg, vielleicht ja dann beim nächsten Mal…

III

Am Tag darauf traf ich mich in einem US-Like-Diner mit dem zweiten Gaming-Kontakt. Ich war den Weg nach Guadalupe mit dem Fahrrad aufgebrochen, weshalb ich gehetzt und verschwitzt im Lokal ankam. An einem der Plätze saß eine Frau mit einem großen Strohhut. Sie schaute auf ihr Handy. Ihr Name war Laura Rubi Meneses Adams. Laura ist wie Jacobo eine Vertretung in der IGDA, jedoch für México City statt für Nordmexiko.

Nachdem ich mich erfrischt hatte begann direkt unser Gespräch. Während sie mir ihre Handy als Audio-Recorder vors Gesicht hielt, fragte sie mich wissbegierig nach der Fördermittelstruktur für Games in Deutschland aus. Ich fühlte mich plötzlich wie im Interview. Ich erklärte ihr alle Punkte die mir einfielen, über die Bundes- und die Länderförderungen, sowie über unsere Studioerfahrung mit diversen Fördertöpfen. Anders als Jacobo, der Investoren in der Wirtschaft suchte, war Laura auf der Suche nach Unterstützung in der Politik. Sie hatte bereits Gespräche mit Politiker*innen gehabt und versuchte über Lobby-Arbeit ein Vertrauen für Games in der Regierung zu entwickeln. Mit einer Präsentation über die Gaming-Szene in Mexiko geht Laura in Meetings mit Vertretungen aus der Politik und stellt vor, was die Ziele und Werte der Szene sind und vor allem, die Gründe, warum das unterstützenswert ist bzw. die Game-Szene Hilfe braucht. Unter anderem zeigt Laura in der Präsentation die Übersicht aller mexikanischen Gamestudio. (#Selbsttest - Wenn du also jetzt testen möchtest, wieviele mexikanische Studios du kennst, kannst du in der Link-Sammlung dein Glück versuchen!) Lauras Einschätzung zu folge, ist die Politik offener als Jacobo es noch erfahren hatte. Konkrete Deals waren nicht in der Tasche, doch sie wirkte hoffnungsvoll und enthusiastisch. Ist also doch eine nationale Gamesförderung in Mexiko realistisch?

Wir bekamen Hunger und verließen das Diner, gingen die Avenida Montevideo auf ihren schmalen Fußgängerwegen ein Stück hinauf, bis wir an ein kleines aber feines mexikanisches Lokal kamen. Hier war es authentisch – es gab die begehrten Mittagsmenüs, die aus einer Suppe, dem Hauptgang und einer Nachspeise bestanden. Ein verdünnter erfrischender Fruchtsaft ist inklusive und wird stets vom Personal nachgefüllt. In diesen Lokalen fühlt man sich bodenständig und wohlhabend zugleich. Ein tolles Gefühl!

Mit dem Ortswechsel vollzogen wir auch einen Themenwechsel. Das Formelle war abgefrühstückt, jetzt gings ans Eingemachte – Game-Theory und Game-Culture beim Mittagessen. Laura konnte mit dem Thema aus unserem aktuellen Projekt „Meine Oma(88)“ vom transgenerationalen Gedächtnis viel anfangen. Sie assoziierte viel persönliche Haltungen damit und war überzeugt, dass Spiele mehr Potenzial haben, als es bisher genutzt wird. Sie erzählte mir von Alejandro Jodorowsky (ein chilenischer Filmemacher und Comicautor), der via Facebook kostenlose Tarot-Sessions mit ihr machte, weiter über irrwitzige Seelenverbindungen in Träumen zwischen ihrer Mutter und sich und wie man solche Erfahrungen in Gamedesign umsetzen könne. Haben Spiele nicht die Möglichkeit das Unmögliche, die Metaphysik und undefinierbaren Gefühle wie Traumreisen erfahrbar zu machen? Wir schwirrten mit unseren Gedanken umher, bis es Zeit war zu gehen.

Wir gingen zum Abschluss noch in die Basilica de Santa Maria de Guadalupe, eine moderne katholische Kirche, die man per Rolltreppe durchfahren kann. Das Ufo-artige Zirkuszelt wurde direkt neben der Stelle erbaut, an dem der Mexica Juan Diego Cuauhtlatoatzin die Jungfrau Maria erblickte. Er half einen Genozid wie er in Nordamerika stattfand zu vermeiden, indem er einen Weg für die Bewohner der bedrohten indigenen Kulturen in den Katholizismus ebnete. So überlebten die Ureinwohner Mexikos die Kolonisation der Europäer #Kurzfassung. Nachdem kurzen Ausflug, musste Laura eilig los. Wir verabschiedeten uns und schwupps war sie auch schon weg.

Der Trip nach Mexiko war für sich eine großartige und ereignisreiche Reise. Doch die Treffen mit Jacobo und Laura waren nochmal besonders. Einerseits war es interessant sich mit wildfremden Menschen in einem wildfremden Land zu treffen und zu wissen, dass die „Games“ als Thema und Leidenschaft uns schon zusammenhalten würden. Andererseits war es bewundernswert und inspirierend, zwei Personen kennenzulernen, die sich wie im Kampf gegen Windmühlen für die Spielkultur- und -industrie in Mexiko einsetzten.

Ich wünsche der Game-Szene in Mexiko viel Erfolg und Glück. Auf dass sich erfolgreiche Indie-Titel in der Öffentlichkeit durchsetzen und beweisen, dass Games mehr sind als ein Call of Duty, Assassins Creed oder Fortnite. Sie sind Kultur und haben die Möglichkeit Erfahrungen anzubieten, die selbst komplexe Themen leicht zugänglich machen können. Damit Studios sich so etwas trauen, braucht es Menschen die sich dafür einsetzen, Menschen wie Jacobo und Laura. Ich wünsche ihnen deshalb alles Glück der Welt und maximale Erfolge dabei! Auf den Erfolg mexikanischer Games, auf nationaler wie internationaler Ebene und auf das wir uns bald über einen mexikanischen Titel erfreuen können.

Hoch den Mezcal!

Salut!

Zenker



Links

Website Lienzo >>> https://www.lienzo.mx/

Trailer Game Mulaka >>> https://www.youtube.com/watch?v=nzT7AueqxRw

Trailer Game Aztech >>> https://www.youtube.com/watch?v=mNZff9pK1Wo

Website IGDA Mexiko >>> https://igda.org/chapters/mexico/

Gamacon >>> https://www.gamacon.mx/

Bit-Gamers >>> https://bitgamers.mx/

Andere Studios: Amano Games >>> https://amano.games/

Logo-Brainstorm_Blogpost1_RxB

Rot und Blau gleich lauwarm

"Wer bin ich?" - "Was ist mein Ziel, was meine Motivation?" - Große Fragen die ein „CD“ (Corporate Design) in die Öffentlichkeit vermitteln soll. Das Erscheinungsbild eines Unternehmens wird dabei über Farbe und Form nach außen transportiert, blabla. Seid den Big Five und der Alt-Right wissen wir, dass ein Erscheinungsbild auch das Gegenteil von dem bedeuten kann, was die inneren Motivationen eigentlich sind. Warum erzähle ich das? Weil sich mir in den letzten Wochen die Frage nach dem Erscheinungsbild von ROTxBLAU stellt und ich deshalb auch die eigene Motivation reflektieren musste.

image-1429822253080973321

COYOTE devlog #1

AND it´s our first devlog eeEEEeEEvVVEVEVREEERRRR!!!!

Yeha! Hi Howdy,

Do you know what we are creating here? Till Q1 2022 we will releasing Coyote – a tactical adventure game where you play a kid which gets superpowers to communicate with a ecosystem. You will be able to rise this ecosystem as a Tamagotchi in the 90s - but with the side-task to balance the inhabitants of the ecosystem. And that’s very challenging!

Socialrealistic Games

Impressum & Datenschutzerklärung | Netiquette | Copyright ROTxBLAU 2025